Damit die Pflanzen auf dem Balkon im Sommer nicht unter meiner urlaubsbedingten Abwesenheit leiden, musste eine (natürlich technische) Lösung geschaffen werden! Das war die Geburtsstunde von meiner eigenen Bewässerungsanlage "GardenControl". In diesem Post berichte über die Entstehungsgeschichte aus dem Jahre 2020 sowie alles was seitdem passiert ist - und das ist nicht wenig!

Dieser ist wohl der bisher längste Post auf meinem Blog: so lang, dass er sogar seinen eigenen Hashtag bekommt! Leider hatte ich zwischendurch keine Zeit, mehrere Posts zu schreiben, bzw. gab es meinen Blog anfangs noch nicht einmal... Aber gut: nun geht es zur Sache!

Womit alles begann

Nachdem ich im Sommer 2020 die Nelken und den Lavendel in Blumentöpfen auf dem Balkon zwei Wochen lang "allein gelassen" hatte, war bei meiner Rückkehr jegliches Lebenselixier aus den Blüten und Blättern verschwunden... Da das nicht noch einmal passieren sollte, musste ich mir eine Lösung ausdenken: es sollte eine automatisierte - oder zumindest aus der Ferne gesteuerte - Bewässerung der Pflanzen ermöglichen. Ich habe sofort angefangen, mir ein Funktionsprinzip für eine solche Anlage zu überlegen.

Das Funktionsprinzip

Das Wichtigste war zunächst die Wasserquelle auf dem Balkon: da kein Leitungswasser anliegt und natürlich auch keine Möglichkeit bestand, es nachträglich zu verlegen, musste ich einen Behälter aufstellen. Dieser Tank umfasst knapp über 100 Liter und wird - falls nötig - mit einem Gartenschlauch befüllt. Vorteil: im worst case läuft der Tank auf dem Balkon leer. Es kann also zumindest nicht passieren, dass bei Kontrollverlust oder Fehlfunktion der Anlage "unendlich" Trinkwasser aus der Leitung ausströmt...

Da der Schweredruck am Wasseranschluss des Tanks bei weitem nicht genug für die Bewässerung ist (und die Blumenkästen am Geländer sowieso höher sind als der Wasserstand), musste im nächsten Schritt eine Pumpe angeschlossen werden.

Für die individuelle Bewässerung aller Pflanzen ist an den Ausgang der Pumpe ein schaltbarer Verteiler angeschlossen. Damit lässt sich jedes der 6 Ausgänge einzeln durch Magnetventile (= "elektronische Wasserschalter") ein- und ausschalten. Über einzelne Schläuche gelangt das Wasser dann vom Verteiler in die Töpfe der Pflanzen.

Funktionsdiagramm GardenControl

Die erste "Gießanlage"

...entstand Anfang 2021 und kam im Sommer des Jahres erfolgreich zum Einsatz. Zwar noch nicht automatisiert, aber ich konnte aus der Ferne die Ventile ein- und ausschalten und die Pflanzen bewässern.

Die Anlage basierte auf einem ESP8266, der über einen MCP23017-Expander und Relais die 6 12V-Ventile und die Pumpe ansteuern konnte. Zusätzlich konnte das 12V-Netzteil für die Pumpe und die Ventile über ein 8. Relais stromlos geschaltet werden, damit es im Ruhezustand keinen "Standby-Strom" verbraucht. Die Steuerung selbst wurde von einem separaten 5V-Netzteil dauerhaft versorgt. Die dazu nötige Elektronik war auf einer Lochrasterplatine aufgelötet.

Über WLAN konnte der Mikrocontroller eine Verbindung zum heimischen MQTT-Server herstellen und Steuerbefehle wie "ventil 1 auf" empfangen. Über eine MQTT-integration mit meinem ohnehin aktiven openHAB SmartHome-Server war letztlich auch die Steuerung aus der Ferne möglich.

Eine eigene Platine

Der Prototyp hat bewiesen, dass das Funktionsprinzip umsetzbar und funktional ist! Deshalb habe ich beschlossen, dem gesamten System eine stabile Hardwaregrundlage zu geben: eine selbst entwickelte Schaltung inklusive dafür entwickelter Platine. Da das neue System weitaus mehr Funktionen umsetzen soll als des bisherige Prototyp, war sehr viel Entwicklungsarbeit nötig.

Zunächst habe ich die elektronische Schaltung entwickelt, danach passende Komponenten ausgesucht und eine passende Platine entwickelt. Nachdem diese für mich in China hergestellt und versandt wurde, konnte ich alle Komponenten auflöten und zu meiner großen Überraschung hat tatsächlich alles funktioniert! Der Mikrocontroller ließ sich problemlos über den USB-C-Anschluss flashen und konnte Sensormesswerte auslesen und die Ausgänge schalten!

GardenControl-Board in KiCAD Fertig geplantes GardenControl-Board in KiCAD.

Folgende Anschlüsse bzw. wichtige Funktionen sind mit dem GardenControl-Board vorhanden:

  • 9 Ausgänge, die jeweils entweder mit Relais bestückt werden oder direkt über das aufgelötete MOSFET die Last am Ausgang schalten können.
  • 1 PWM-Ausgang für bis zu 4A zur feinen Steuerung einer DC-Wasserpumpe.
  • 8 Sensoreingänge für Bodenfeuchtesensoren, die eine Analogspannung proportional zur Bodenfeuchte liefern.
  • 1 Eingang für einen elektronischen Wasserzähler, der Impulse pro durchfließenden Volumen ausgibt.
  • Versorgung der Platine über ein 12V-Netzteil
  • Echtzeituhr-Modul mit Batteriebackup
  • USB-C-Anschluss zur einfachen Programmierung des Mikrocontrollers

Fertiges GardenControl-Board Fertig bestücktes und gelötetes, funktionsfähiges GardenControl-Board. Es fehlen nur noch einige Relais bzw. Drahtbrücken im unteren Bereich.

"GardenControl" entsteht

Auch mit der neuen "Hauptplatine" blieb das Funktionsprinzip der Anlage gleich; die "Wasser-Hardware" konnte ich beibehalten.

Zu dieser Zeit war ich im 5. Fachsemester meines Informatikstudiums und es war langsam an der Zeit, ein Thema für die anstehende Bachelorarbeit zu finden... Also hatte ich die Idee, die passende Steuerungssoftware zur entstandenen Hardware im Rahmen der Bachelorarbeit umzusetzen. Nachdem ich die Idee in einem wissenschaftlichen Vortrag vorgestellt hatte, fanden sich auch zwei Betreuer für das doch etwas unübliche Projekt! Die Bachelorarbeit brauchte einen Titel mit direktem Verweis auf die entwickelte Anlage, die zu diesem Zeitpunkt aber immer noch die unprofessionelle Bezeichnung "Gießanlage" trug: daraus wurde nach einiger Überlegung GardenControl - was die universelle Einsetzbarkeit der Anlage zum Ausdruck bringen soll.

Meine Bachelorarbeit trägt folgenden Titel:

Bewässerungsanlage "GardenControl" - Konzeption und Umsetzung eines Systems zur Erfassung und Verarbeitung von Sensordaten zur automatisierten Pflanzenbewässerung anhand definierter Regeln

Nach einigen Monaten Herumprobieren, Programmieren und ziemlich viel Schreiberei war die Arbeit dann auch schon fertig! :D

Das Softwarekonzept, welches den Betrieb der Anlage ermöglicht, beschreibe ich zeitnah in einem gesonderten Blog-Post.

Wie geht es weiter?

Natürlich wird die neue Hardware zusammen mit der Softwareumsetzung ab kommendem Frühjahr auch praktisch eingesetzt, damit die Balkonpflanzen gut und stets bewässert die warme Jahreszeit überstehen können. Über die gesammelten Erfahrungen werde ich natürlich berichten - hier auf dem Blog!

Außerdem steht auch wieder die Entwicklung einer neuen Platine an! Diese soll für einen Einsatz im größeren Garten mit mehr als 8 Ventilen konzipiert werden, mit weiteren Features wie Ethernet-Anschluss und einer Auswahlmöglichkeit für "normale" oder solid state-Relais.

Über alle Fortschritte werde ich (hoffentlich etwas häufiger als bisher) in neuen Blog-Posts informieren. Diese veröffentliche ich auch in folgendem Telegram-Kanal, dem jeder interessierte Leser gern beitreten kann, um sofort über neue Inhalte benachrichtigt zu werden: Link zum Telegram-Kanal